Mittwoch, Oktober 29, 2008
Die Wallfahrt
Auf allgemeinen Wunsch einer einzelnen Person hier endlich der Bericht über unser Wochenende in Michoacan:
Es hat sich mittlerweile herumgesprochen, daß ich über viel Freizeit verfüge und so sprach mich vor Kurzem Evelyns Großmutter an, sie würde jedes Jahr mit ihren Freundinnen ihr Heimatdorf, aus dem sie vor vielen vielen Jahren in den DeEffe gezogen ist, besuchen. Demnächst wäre es wieder so weit und es würde sie sehr freuen, mir und ihrer Urenkelin ihre Heimat zu zeigen, sprich, sie lud mich ein, sie zu begleiten. Die Reise sei bereits organisiert, für Transport und Unterkunft ist gesorgt, ich könnte auch das Zelt mitnehmen, Gelegenheiten zu Essen gäbe es vor Ort.
Ich hatte ja sowieso nichts anderes zu tun als Nadeln in kleine Migra-Spacken-Puppen zu stecken und so sagte ich zu.
Donnerstag abend sollte es also losgehen, wir (Citlali, Schwiegermuttern, ihre Mutter, deren Schwestern und meine Wenigkeit) bestiegen zusammen mit anderen Leuten, mehrheitlich im Alter meiner Schwiegergroßmutter, den Bus. Schwiegermuttern und mir traf es die Plätze 39 und 40, die letzten beiden ganz hinten neben der Toilette. Wir ließen uns gerade häuslich nieder, als eine Gruppe von sechs renitenten Rentnern auf uns zukam und lautstark darauf aufmerksam machte, daß sie Karten für die letzten sechs Plätze hätten: 41, 42, 43, 44, 45, 46. Ja, die Rudelführerin sagte wirklich alle sechs Nummern auf, um ja keine Zweifel zu lassen. Ich wies darauf hin, daß wir Karten für die Plätze 39 und 40 haben und daß das zufälligerweise genau die Nummern sind, die auf den kleinen Täfelchen über unseren Köpfen stehen. Woraufhin sie mich tatsächlich fragten, wo denn dann ihre Plätze wären. Woher soll ich das den wissen? "Vielleicht im zweiten Stock?" fragte ich, worauf sich eine von den Pappnasen tatsächlich nach der Treppe umsah, während die anderen mich mit einem Blick bedachten, als ob ich ihnen Unzucht mit Paarhufern empfohlen hätte.
Irgendwann hatten dann alle ihre Plätze und es ging los. Unsere Sitze waren so ziemlich das Letzte, dadurch daß wir weit hinter der Hinterachse saßen, wurden wir beim Überheizen der Topes heftig aus unseren Sitzen hochgeschleudert, von unten heizte der Motor, von oben gefror und die Klimaanlage, das ganze natürlich bei entsprechender Geräuschkulisse. Wenigstens entging mir so die Beterei der übrigen Wallfahrer. A propos Wallfahrer, bis zu diesem Moment war mir entgangen, daß die ganze Veranstaltung kein Familienausflug war, sondern eine organisierte Wallfahrt zu Ehren des Dorfheiligen. Die findet seit über 50 Jahren jährlich statt und irgendeiner von Evelyns Ahnen war mitbegründer dieser Tradition.
So bekamen wir am nächsten Morgen in Zamora, wo sich ein gutes Dutzend Busse aus DeEffe einfand dann auch erstmal eine Messe verpaßt, bevor es nach Ixtla de los Hervores weiterging. Dort angekommen zogen wir dann als Prozession durch das glücklicherweise kleine Dorf zur Kirche, rechts und links des Weges jubelten uns die Bewohner des Dorfes zu und bewarfen uns mit Konfetti. Nach der Messe bezogen wir dann unser Quartier in der Dorfschule. Mann, war ich froh, daß ich das Zelt mithatte. In sechs Klassenzimmern wurden jeweils etwa 30 Leute untergebracht. Und für alle gab es insgesamt 8 Toiletten ohne funktionierende Spülung und genau einen funktionierenden Wasserhahn. Wenigstens war das Wasser aus diesem Warm, weil das Dorf in der Nähe eines Geysirs liegt. Trotzdem wurde der Hahn von Tag zu Tag schmuddeliger, die Eimerchen, die als Spülungsersatz an den Toiletten standen, erweckten auch nicht gerade einen keimfreien Eindruck, obwohl sie von vielen offensichtlich einfach ignoriert wurden. Das war einfach nur eklig.
Dazu ein paar Rentner von dem Typ, der nicht kommuniziert, sondern nur Befehle bellt und sich am liebsten lautstark mit seinesgleichen darüber unterhält, daß früher alles viel besser war.
Den Abend (wie auch alle Anderen) verbrachten wir im Dorf, wo so etwas wie ein Jahrmarkt mit Taco-Ständen und Karusells aufgebaut war.
Die nächsten beiden Tage verbrachten wir glücklicherweise in Schwimmbädern, wo wir zumindest duschen konnten und auch das religiöse Rahmenprogramm beschränkte sich auf Gesänge während der Busfahrten.
Die Rückfahrt am Montag war dann nochmals stressig, um fünf Uhr morgens wurden wir geweckt, nach der Abschiedsmesse und einem kurzen Frühstück ging es los auf die Autobahn. Die Zeit wurde recht lang, ich war nach der kurzen Nacht müde und Citlali war auch quengelig und so waren wir beide froh, als wir gegen 9 Uhr abends endlich wieder im DeEffe waren.
Das Wochenende war sehr interessant, wir haben viel erlebt, aber ich glaube, nächstes Jahr werden wir auf den Spaß verzichten.
um 17:21 | Labels: Reisen, Sitten und Gebräuche |
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spitzenbericht! erinnert mich bissl an klassenfahrt. aber nur n bissl(da waren die klos sauber).
AntwortenLöschen*grins* Das hättest du dir bestimmt nicht träumen lassen, dass du mal bei einer Wallfahrt mitmachst, oder? Tja, in MX ist alles möglich. ;-)
AntwortenLöschenHört sich aber für mich auch nur mässig interessant an - das wäre wohl nix für mich. Campingurlaub ist ja okay, aber dann bitte mit Hefekaltschale und Lagerfeuer...
Die Beschreibung der sanitären Zustände erinnert an "Rock am Ring". ;-)))))
Zum Glück hat bisher noch niemand in MX versucht, mich zu so was mitzunehmen. Die wissen schon, dass das zwecklos wäre. ;-)