Montag, Mai 28, 2012

Ende des Albtraumes

Einer muss noch, dann widme ich mich wieder anderen Themen als dem Migra-Geraffel. Die gute Nachricht, für alle, die den Rotz nicht bis zum Ende lesen wollen: mein FM2 wurde verlängert. Wenn ich jetzt auch wieder bei null Jahren anfange, also wieder fünf Jahre vom Inmigrado entfernt bin. Aber wenigstens darf ich jetzt wieder legal das Land verlassen und ich habe etwas gelernt: Zwischendurch hatte ich ja echt mal befürchtet, die Spacken lesen hier mit und sind mir gegenüber deshalb etwas negativ eingestellt. Mittlerweile weiss ich, die sind nicht bösartig, die sind nur unfähig schlecht organisiert.

Aber von vorne: Da bekam ich also Anfang Mai vom Firmenanwalt die Mail, dass die Migra von mir gerne einen Nachweis meiner Fähigkeiten sehen möchte. Ich ging nach oberflächlicher Lektüre des Bescheids davon aus, dass die mein Uni-Diplom wollen. Das hatte ich zwar, orginal und mit offizieller Übersetzung, aber ohne die Apostille. Während ich mich also noch in diesem Beitrag auskotzte, hatte meine Mutter bereits bei der FH angerufen und eine Abschrift meines Diploms bestellt, welches sie dann zum Ministerium für Bildung, Forschung und Kunst zum Apistillieren schickte. Vielen Dank an dieser Stelle! Meine Hauptsorge war, dass der Vorgang länger als die 10 Tage, die die Migra mir Zeit gab, dauern könnte. Während sich die Herren über Visa oder Abschiebung nämlich so viel Zeit lassen können, wie es ihnen beliebt (können sie theoretisch zwar nicht, das Gesetz sieht Fristen vor, aber wenn sie die nicht einhalten passiert genau gar nichts, also praktisch können sie jeden Antragsteller am ausgestreckten Arm verhungern lassen), weissen ihre Bescheide knappe Fristen auf, sowie die Drohung, dass das nicht-Einhalten selbiger den unverzüglichen Abbruch des Tramites (Verwaltungsvorganges) nach sich zieht. Ich liebe solch asymmetrische Beziehungen.

Drei Tage später las ich mir den Bescheid nochmal durch. Da steht, ich solle meine Befähigung mittels Diplomen, Zertifikaten, Veröffentlichungen oder eben geeigneten Schul-oder Universitätsabschlüssen nachweisen, und für den Fall, dass die Nachweise nicht mexikanischen Ursprungs seien, diese apostilliert und übersetzt sein müssen. Hm, Zertifikate und Diploma hab' ich jede Menge, ein bischen Gesuche und ich hatte Zertifikate von verschiedenen IT-Kursen, Nachweise über erfolgreiche Produkt-Zertifizierungen, zwei Auszeichnungen als Technisches Talent des Quartals und eine Bestätigung, dass ich mal bei einer Veranstaltung zum Thema Multikulturelles Miteinander einen Beitrag geleistet habe. Alles aus Mexico, also ohne Hokuspokus und Übersetzung gültig.

Ab damit zum Anwalt. Der war begeistert! Bei diesem Treffen enstand übrigens der Juristen-Logik-Dialog. Er wollte diese Papiere einreichen, das würde im besten Fall schon reichen und wenn nicht hätten wir so wenigstens die Frist gewahrt. Bis die Schnarchnasen diese Nachweise ablehnen würden, hätte ich mein FH-Diplom und könnte dann dieses einreichen. Nach nur acht Tagen hatte meine Mutter das FH-Diplom mit Apostille (ja, da waren zwei Behörden dran beteiligt und dreimal Postweg, das hätte hier wahrscheinlich Jahre gedauert!) und da zufälligerweise ein Bekannter hier rüber flog, um seine Alter-Sack-Werdung zu feiern (Glückwunsch!) brachte er das eine Woche später mit (auch hier nochmal vielen Dank!). Ich lies das Zeug übersetzen und rief den Anwalt an, um ihm mitzuteilen, dass das Diplom bereit ist. Es war Freitag, seit der Abgabe der anderen Nachweise waren gut zwei Wochen vergangen. Der Anwalt hatte gute Nachrichten, das FH-Diplom würden wir nicht mehr brauchen, die hätten den anderen Kram akzeptiert, es fehle jetzt nur noch ein paar Formsachen (Eintragung in irgendwelche Listen) und dann könnte ich mein FM2 wiederkriegen. Er rechne Montag oder Dienstag damit.

Klasse. Ich verfiel in einen wahren Freudentaumel und tat etwas selten dämliches. Ich schrieb meinem Scheff eine Mail, in der ich stolz verkündete, am Mittwoch oder spätestens Donnerstag (man ist ja vorsichtig) der nächsten Woche wieder ein Visum zu haben und entsprechend am Wochenende reisen zu können.

Der freute sich ein Loch ins Knie und mailte am Montag prompt unserem Kunden, der seit zwei Wochen in der Dominikanischen Republik auf mich wartete, "Der Herr Bohn hat sein Visum, er kommt nächstes Wochenende!"

Am Dienstag abend rief ich dann mal den Herrn Anwalt an, der war nämlich verdächtig still gewesen. Ja, meinte er, wir haben da ein kleines Problem, die haben am Wochenende den ganzen Haufen umorganisiert, jede Menge neues Personal, die Schalter sind alle umgebaut worden, da herrscht das totale Chaos, die wissen im Moment nichtmal, wo sie die Papiere haben. Aber bis zum Wochenende sollte das klappen. No te preocupes! (Mach Dir keine Sorgen)"

Argh!

Nach einer schlaflosen Nacht schrieb ich meinem Scheff eine vorsichtige Mail, so in der Art "Es könnte eventuell im ungünstigsten, aber sehr unwahrscheinlichen Fall eben doch passieren, dass ich am Wochenende vielleicht, aber wirklich nur sehr vielleicht, doch nicht reisen werden kann." Er hat sich nichts anmerken lassen. Er meinte, ich solle trotzdem den Flug buchen, lieber Storno-Gebühren zahlen, als am Freitag das Visum zu bekommen und dann keinen Flug mehr zu kriegen. Schlauer Fuchs, der Kerl. Und viel optimistischer als ich.

Donnerstag dann immer noch nichts Neues, Freitag bin ich dann einfach auf Verdacht mal in die Höhle des Löwen, sprich ins Gebäude der Spacken gegangen. Ich wollte jetzt wissen, was Sache ist und zwar aus erster Hand, nicht nur durch den Anwalt gefiltert. Der war auch sehr überrascht, mich dort zu sehen, berappelte sich aber bald wieder und fand, dass es eine gute Idee gewesen sei, selbst zu kommen. Sein Plan war einfach, das Gebäude wird um 13:00 Uhr geschlossen, danach kommt niemand mehr rein, aber die Leute arbeiten weiter oder tun halt das, was sie für arbeiten halten. Da immer mehr der Bittsteller gehen, wird das Gebäude dann leerer und leerer und so hat man eher mal die Chance, sich mit jemandem ernsthaft zu Unterhalten. Er passte also die Abteilungsleiterin ab, die zunächst jeden seiner Sätze mit "Na und?" beantwortete. Nachdem er ihr aber vorgetragen hatte, dass der ganze Mist ohne ein Verschulden unsererseits bereits mehr als drei Monate dauere, schickte sie tatsächlich eine Dame zu uns. Die meinte, sie bearbeite meinen Antrag seit Montag und versuche seither auch, den Anwalt zu erreichen, da wäre bei der letzten Notificación (Benachrichtigung) was schiefgelaufen und sie benötige für die weitere Bearbeitung des Falles ganz dringend einen Nachweis über meine Fähigkeiten, einen über die Bezahlung der Gebühren, einen über die Bezahlung der Strafe, einen Brief meiner Frau, in dem sie das Fortbestehen unserer Ehe bestätigt und einiges mehr. Ich verstand nur Bahnhof. Den ganzen Mist hatten wir doch schon lange eingereicht. Während ich also noch überlegte, was "Du dämlicher Blindfisch" auf spanisch heisst, machte der Anwalt sie sehr diplomatisch darauf aufmerksam, dass das doch alles in dem dicken Ordner, den sie da vor sich hat, schon drin ist. Na dann ist ja gut, sagte sie, blätterte lustlos ein wenig drin rum und machte den Ordner wieder zu. "Und da gibt es ein kleines Problem", fuhr der Anwalt fort und schaute mich auffordernd an. "Ja," sagte ich, sehr um Höflichkeit bemüht, "wir haben da ein grösseres Projekt im Ausland, das wir seit drei Wochen verschieben, weil ich nicht reisen kann und der Kunde hat uns angedroht, dass er das Projekt an unsere Konkurrenz, übrigens eine amerikanische Firma, übergibt, wenn wir nicht diesen Montag anfangen." "Nein!", sagt sie und schaut mich entrüstet an. "Wann müssen sie denn reisen? Am Montag?" "Nein, sagte ich, am Sonntag." "Na gut, dann machen wir das halt noch schnell fertig." Unglaublich. Man glaubt es nicht, wenn man es nicht selbst erlebt hat. Die Dame wartet auf den Anwalt, der Anwalt wird jeden Tag dort vorstellig und bekommt nach einem Blick in den Computer den Bescheid "Noch nicht fertig!" und damit geben sich beide Seiten zufrieden. Ich weiss nicht, ob kafkaesk oder pythonesk es besser trifft.

Wie dem auch sei, einziges Requisit, welches wir nicht dabei hatten, war mein Arbeitsvertrag. Im Ordner war natürlich eine bestätigung meines Arbeitgebers, das ich dort immer noch arbeite und wenn die Dame im Archiv gesucht hätte, hätte sie auch das Arbeitsangebot der Firma gefunden, aufgrund dessen ich überhaupt erst die Arbeitserlaubnis vor fast vier Jahren bekommen habe. Aber ich wollte jetzt nichts mehr riskieren, wir versprachen beide, hoch und heilig, eine Kopie des Vertrages am Montag vorzulegen und damit war die Sache erledigt, keine zwei Stunden später verlies ich mit einem neuen FM2 den Laden.

Und so kommt es, dass ich gerade in einem Flugzeug von Panama nach Santo Domingo sitze. Endlich. Und in 11 Monaten wird mich mein Telefon, mein Kalender und vielleicht sogar dieses Blog darauf aufmerksam machen, das Drecksvisum zu verlängern. Auch externe Hinweise per Mail oder Kommentar werden gerne angenommen.

Und jetzt widmen wir uns wieder den angenehmen Seiten des Auswandererdaseins.

Samstag, Mai 19, 2012

Wochenende

Ganz grosse Klasse finde ich den Garten, den wir hier in Cuernavaca haben. Ich hatte ja bisher nie viel Glück mit Pflanzen, aber hier wächst einfach alles, so lange man genug Wasser draufkippt.

Während der Bauarbeiten diente der Garten als Zwischenlager für's Material oder den Schutt, entsprechend platt war er, als die Hütte fertig war. Mittlerweile hat er sich wieder erholt und als kostenlose dreingabe wachsen sogar Tomaten und Zuchini, ich vermute mal, dass die Bauarbeiter auch ihre Essensreste im Garten entsorgt hatten. Ich find's hübsch.

Freitag, Mai 18, 2012

Juristenlogik

Gespräch mit dem Firmenanwalt:

ich: "Was passiert denn jetzt, wenn die befinden, dass meine Fähigkeiten nicht ausreichen?"
Anwalt: "Mach Dir da mal keine Sorgen, die können Dir das Visum nicht verweigern, schliesslich bist Du mit einer Mexikanerin verheiratet."
i: "Und warum muss ich dann meine Fähigkeiten nachweisen?"
A: "Das steht so im Gesetz."
i: "Und was passiert, wenn ich sie nicht nachweisen kann?"
A: "Das ist 'ne reine Formsache, die können Dir das Visum nicht verweigern."

So ziemlich genau die gleiche Diskussion hatte ich vor vielen vielen Jahren schonmal mit einem anderen Anwalt. Für mich entbehrt das jeglicher Logik, aber für die Juristen scheint das nachvollziehbar zu sein. Da argumentiert sogar meine Tochter schlüssiger. Und die ist erst 5 und weiblich.

Mein Scheff wird langsam ungeduldig, er hat jede Menge Projekte im Ausland und keine Leute. Er ist übrigens Italiener der in den USA arbeitet, er kennt also immerhin die Situation, wenn auch aus einem zivilisierten Land, er kann sich also in etwa vorstellen, wie das hier abgeht. In der hiesigen Personalabteilung hat er sich schonmal unbeliebt gemacht, scheinbar hat die Firma in anderen Ländern bessere Beziehungen zu den Behörden. Nützt mir hier leider nichts.

Heute hatte ich mal wieder ein Jobangebot aus Deutschland in den Mails. Nein, zurück in die Kälte will ich eigentlich nicht. Und im Moment schon gar nicht, wenn wir jetzt gehen, war das ganze letzte Jahr für die Katz, das neue Haus müssten wir weit unter dem, was es uns gekostet hat, verkaufen.

Mittwoch, Mai 02, 2012

Schnautze voll

Was der Verkehr im DeEffe, die Stereoanlagen der Nachbarn, die Taxifahrer, die mir als vermeintlichem Gringo gerne versuchen, den doppelten Fahrpreis abzuzocken, nicht geschafft haben, hat jetzt die Migra vollbracht: Ich hab' die Schnautze voll von diesem Drecksland!

OK, mein Visum ist abgelaufen. Mein Fehler. Also hab' ich bei den Spacken einen Antrag auf Regulierung meines Aufenthalts (ja, ich gelte momentan als illegaler Einwanderer!) eingereicht. Dann tat sich erstmal 10 Wochen lang gar nix. Soweit nichts Neues, das hatten wir ja schonmal.

Das Ärgerliche dabei ist, dass ich, solange mein Status nicht geklärt ist, das Land nicht verlassen darf (ausser zur definitiven Ausreise). Schade eigentlich, so entging mir gerade ein Projekt in der Dominikanischen Republik und auch die Tournee durch Südamerika, auf der ich ein paar Vorträge hätte halten sollen, wird wohl mein Kollege machen dürfen. Das ist zwar schade, aber ich kann damit leben, im Moment habe ich auch hier genug zu tun.

Heute morgen dann eine Nachricht von der Migra: Ich hätte ja meine Qualifikation als Techniker gar nie nachgewiessen. Ich möchte doch bitte meinen in Mexico eingetragenen Titel nachreichen. Wow. jetzt habe ich also sieben Jahre lang als falscher Techniker gearbeitet. Gut, dass die das bemerkt haben, solchen Leuten muss das Handwerk gelegt werden, bevor das Land in Anarchie und Chaos versinkt.

In diesem Scheissland darf jeder machen, was er will. Nur wenn man versucht, seine Familie (übrigens allesamt legale Mexikanerinnen) mit legaler Arbeit zu ernähren, kriegt man Ärger. Glücklicherweise hat IBM ja auch in anderen Ländern Standorte, mal sehen, wie kompliziert die sich anstellen, wenn ich eine Versetzung beantrage.