Montag, Januar 14, 2008

Kafkaesk

Freitag abend. Ich bin mit dem Rad unterwegs in die Stadt, leicht genervt von den Fußgängern, die in kleinen Gruppen auf dem Radweg herumstehen oder (natürlich nebeneinander) gehen und auch auf Pressluftgehupe erst dann reagieren, wenn ich bereits heftig abgebremst habe, um sie nicht über den Haufen zu fahren.

An der Kreuzung Palmas/Periferico hält ein ein Auto, um zwei Leute aussteigen zu lassen. Ich mache den Fahrer (zugegebenermaßen auf eher unhöfliche Art und Weise) darauf aufmerksam, daß er dabei mit seiner Dreckskarre den Radweg auf seiner gesamten Breite blockiert, was er (auf noch unhöflichere Art) kontert, indem er mich aufs Übelste beschimpft und mir Prügel androht. Da ich keinen Bock hab', mich von drei Leuten vermöbeln zu lassen, suche ich das Weite, nicht ohne mich mit dem Fuß kräftig vom Kotflügel der Kiste abzustoßen.

Das bringt die drei Schwachmaten erst recht auf die Palme, sie fordern mich auf, zurückzukommen, damit sie mich verhauen können, ein Angebot, dem ich durchaus widerstehen kann, ich setze meinen Weg fort.

Hundert Meter weiter treffe ich einen Polizisten, einen Verkehrspolizisten, um genau zu sein. Ich spreche ihn an und sage ihm, daß an der Kreuzung jemand den Radweg blockiert und daß ich außerdem bedroht wurde. Er erwidert, er habe keine Zeit, er müsse die Ampel umschalten. Ich frage, ob nicht vielleicht ein Kollege in der Nähe wäre oder ob nicht seine Ampel kurz auf ihn verzichten könne, was er mit einem knappen Nein beantwortete. Ich bedanke mich bei ihm, zwar durchaus mit einem Tonfall, der ahnen läßt, daß ich mit seinem Verhalten alles andere als zufrieden bin, aber ohne dies explizit zu erwähnen, oder ihn gar in irgendeiner Art und Weise zu beleidigen.

Ich schwinge mich wieder auf mein Rad, der Polizist brabbelt mir irgendetwas hinterher, was ich nicht verstehe, was mich auch nicht wirklich interessiert. Bis auf das letzte Wort: Pendejo (Vollidiot). Ich fahre wieder zurück und frage ihn, wie er mich gerade genannt hat. Er meint, ich hätte ihn schon richtig verstanden. Meine Frage nach seinem Namen beantwortet er mit "Denk Dir einen aus". Obwohl ich genau weiß, daß ich mich nicht bei seinem Scheff über ihn beschweren werde (weil mich das meine Zeit kostet und wahrscheinlich genau gar nichts bringt), sträubt sich etwas in mir, den Typen einfach damit durchkommen zu lassen, daß er mich einen Idioten nennt, ich bestehe darauf, daß er mir seinen Namen nennt und mit kindischem Trotz erwidert er mir, daß er mir den nicht sagen wird. Seine Uniform hat weder ein Namensschild
noch eine Dienstnummer, die mir weiterhilft, also sage ich ihm, daß ich eben ein Foto von ihm machen werde, mit dem sein Scheff ihn sicher identifizieren kann. Statt der erwarteten Gegenwehr kommt von ihm ein trotziges "Mach was Du willst, aber meinen Namen sag' ich Dir nicht!".

Als ich dann tatsächlich meine Kamera aus der Tasche ziehe, dreht er sich um, verläßt seinen Posten an der Ampel und beginnt, davonzulaufen. Ich laufe langsam hinterher, versuche ein brauchbares Foto von ihm zu machen (ohne wirklich zu wissen, wofür) während er sich immer wieder von mir wegdreht.

Irgendwann wird mir das dann definitiv zu dämlich, obwohl ich kein brauchbares Foto habe (die Fuji ist bei Dunkelheit einfach nur mies) bedanke ich mich anständig beim uniformierten Clown für das tolle Bild, wünsche ihm ein angenehmens Wochenende und mache mich wieder auf meinen Weg, grübelnd, ob ich dem Kerl jetzt böse sein soll, weil mich grundlos einen Idioten genannt hat, oder ob mir jemand, der sich aus Angst, daß jemand ein Foto von ihm macht, wie ein kleiner Junge davonläuft vielleicht doch einfach nur leid tun sollte.

8 Kommentare:

  1. Vielleicht solltest Du einen Flachmann Tequila dabeihaben, um erstmal die Nerven zu beruhigen... ;-)

    Es gibt da so ein Sprichwort: "Quién se enoja, pierde."
    Man muß also schlauer sein als der andere, sonst tut man in seiner Wut Dinge, die man später bereut (oder deren man sich schämt; hab' da so ein paar eigene Stories auf Lager - und bin mir sicher, dass mir das in Zukunft noch das eine oder andere Mal passieren wird).

    Mexico ist ein nahezu rechtsfreier Raum (schon mal gelesen, weswegen sich die Versicherung ING aus Mexico zurückgezogen hat?), in dem nur der Stärkere gewinnt, und als Radfahrer oder -noch schlimmer!- Ausländer mit hörbarem Akzent bist Du nur ein Furz in der Landschaft, den man leicht zur Seite räumt.
    Dass dabei die Polizei eher stört als hilft, ist ja auch leider nichts neues.

    Aber: vielleicht siehst Du den "netten" Ampel-Polizisten noch mal, und da kannst Du ja in aller Seelenruhe Deine Kamera auspacken und sein Gesicht knipsen (vorausgesetzt, er erkennt Dich nicht vorher).

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  2. Mein Gott! Das würde mir ganz gehörig gegen den Strich gehen!
    Lese deinen Blog gerne, aber manchmal habe ich das Gefühl: ich glaube ich könnte nicht in Mexiko leben.
    Wenn es da so zugeht!
    Da bist du ja selbst vor den Polizisten nicht sicher, kann das sein?
    Habe vor kurzem schon mal gestutzt, bei einem Beitrag von dir.
    Suche ihn mal raus!
    Grüße
    Marc

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  3. Habe ihn gefunden: Es war der "Rechenkünstler", vom 10. Dezember 2007.
    Mann oh mann, was gibt dir die Kraft dort zu leben?
    Sind es die lieben? Familie und so, klar. Macht das alles wett? Besserer Job, besser bezahlter Job?

    Oder sind das jetzt Extrembeispiele über die du schreibst?
    Sorry, wahrscheinlich werdet ihr jetzt über mich (Greenhorn) schmunzeln. Aber wenn mich einer so offensichtlich übers Ohr hauen will oder mich grundlos beschimpft oder für einen Vollidioten hält (und mich auch so bezeichnet), da flippe ich echt aus!!!
    Wir haben Freunde, die waren zum urlauben in Mexico, und die möchten nicht mehr hin.
    Sind wohl (desöfteren) von Kellner übers Ohr gehauen worden, bzw. die haben es versucht (falsch rausgeben und so Dinge).
    Nenn uns doch mal die Vorteile von Mexiko.
    Vielleicht überlegs ich mir dann auch ;-)
    Grüße
    Marc

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  4. "Nenn uns doch mal die Vorteile von Mexiko."

    Keine deutsche Kleingeistigkeit. Reicht das? ;-)

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  5. Hübsch gesagt :-)

    Nein, im Ernst: Das was ich hier im Blog verewige, sind natürlich hauptsächlich nicht alltägliche Situationen. Der Alltag an sich ist hier so langweilig wie in Deutschland auch, ich stehe morgens (meist zu spät) auf, gehe malochen und anschließend wieder nach Hause, eigentlich könnte man unser Leben als spießig bezeichnen. Nur wenn da etwas außergewöhnliches passiert, hat es die Chance, ins Blog zu kommen, der langweilige Krempel interessiert ja auch niemanden. Daß für Aufreger die Chance größer ist, liegt daran, daß sie mir noch ein paar Tage nachgehen und das Blog ist da auch eine Chance, mich auszukotzen. Die schönen Dinge kann ich auch im Stillen genießen.

    Um es kurz zu machen: Mir geht das Verhalten so mancher Leute hier auf den Keks, trotzdem ist im Moment eine Rückkehr nach Deutschland keine Option für mich. Das Warum ist schwer in ein paar Sätze zu fassen, da könnte ich sicher einige Posts draus machen. Ich versuch' es trotzdem:

    - Evelyn hängt mehr an ihrer Heimat als ich an meiner.
    - Ich fühle mich hier freier als im komplett durchregulierten Deutschland.
    - Ich verdiene hier in etwa gleich viel Geld wie in D, lebe aber besser, weil viele Dienstleistungen hier günstiger sind.
    - Ich liebe die Landschaft hier.
    - In 4 bis 5 Stunden bin ich mit dem Tracker am Meer.
    - Der Service hier ist allgemein besser (Von Banken und großen Firmen wie Telmex mal abgesehen).
    - Das Wetter ist besser.
    - Die Leute sind weniger stressig (und die Mädels hübscher).

    Also es gibt durchaus Gründe, hier zu leben. Natürlich sind die sehr subjektiv und ich kann verstehen, wenn jemand seine Prioritäten anders setzt.

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  6. Hallo Andreas,
    sorry, wenn ich mich mit meiner Frage zu weit aus dem Fenster gelehnt habe!
    Ich fand nur Deine Geschichte schon heftig! (bin ja auch schon öfters beschimpft worden, dachte halt Polizisten hätten das nirgendwo auf der Welt nötig).

    Und klar, ich kann mir schon denken dass es ebenso viele Vorteile in Mexiko gibt, wie Nachteile, und wie auch anderswo auch der Welt.
    Und das mit dem Wetter, Natur, ja auch mit den Mädles, kann ich verstehen.

    Kennst Du noch deutsches TV? Da gibt es z.Zt. gerade viele Auswander-Sendungen. Und die allermeisten Leute die da ins Ausland gehen, sind ehrlich (sorry) Dumpfbacken.

    Und damit meine ich jetzt auf keinen Fall Dich!!!!!!!!!!!!!!!!!

    Von denen ich spreche, dass sind Menschen, von denen die allermeisten noch nicht einmal die Sprache sprechen, oft auch keine fundierte Ausbildung haben.
    Ja, und mache sind einfach nur frustriert.
    Hartz4 Empfänger o.ä.
    Und bei manchen Blogs (hier miene ich auch nicht dich) denke ich manchmal auch hey, die Typen hatten in D keine Chance, worin auch immer.
    Geh ich halt ins Ausland, und wehe einer will sich lusitg machen!

    Deshalb nochmals "Danke schön" für Deine Erläuterungen, lese weiterhin gerne bei Dir mit!
    Marc
    (der auch ein ganz normales, spießiges, aber zufriedenes Leben führt)

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  7. sorry, wenn ich mich mit meiner Frage zu weit aus dem Fenster gelehnt habe!

    Nein, das passt schon. In solchen Momenten frag' ich mich ja auch schon mal, warum ich mir das antue, aber mein Scheff sagte früher immer: Man kann nicht alles haben. Wenn ich tolle Radwege und verständnissvolle Autofahrer haben will, sollte ich nach D (oder vielleicht Holland) gehen, dort ist aber das Wetter mieser.

    dachte halt Polizisten hätten das nirgendwo auf der Welt nötig

    Naja, so ein Verkehrspolizist verdient hier in der Stadt, wenn ich die Zahl richtig im Kopf habe, im Schnitt etwa 250 Euro. Das ist auch hier nur wenig Geld und dafür bekommt man kaum motivierte oder furchtbar schlaue Leute.

    Da gibt es z.Zt. gerade viele Auswander-Sendungen. Und die allermeisten Leute die da ins Ausland gehen, sind ehrlich (sorry) Dumpfbacken.

    "Die Auswanderer" ist der häufigste Suchbegriff, der Leute hierherführt. Der wurde nur kurz vor Weihnachten von "Zimtsterne" abgelöst. Ich hab' zwar keine Folge wirklich gesehen, aber einiges darüber gelesen, das scheint wirklich eine Anleitung zu sein, wie man es nicht machen sollte.

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  8. Meine Eltern wurden innerhalb von einem Jahr zweimal von falschen Polizisten angehalten. Den einen haben die "Federales" erwischt und in gewahrsam genommen. Diese falsche Polizist war mit einer Spielzeugwaffe bewaffnet.
    Letzte Woche wurden meine Eltern wieder von eine falschen Polizisten im D.F. angehalten. Nachdem er meine Eltern zum zweiten mal laut bedroht hat, hat mein Vater gas gegeben und ist abgehauen.
    Selbstverständlich hat sich der falsche Polizist nicht getraut hinter her zu fahren.
    Die Gründe, weswegen sie angehalten wurden waren "zu schnelles fahren", und "zu viele Aufkleber (verificación)" am Auto.

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