Donnerstag, Oktober 30, 2008

Arbeit

Gestern bekam ich einen Anruf von einem Ex-Kollegen. Die Ex-Scheffin lässt fragen, ob ich nicht als externer Consultant wieder für sie arbeiten wolle. Das Projekt, in dem ich zuletzt war, läuft wohl nicht ganz so, wie es soll, derjenige, der mich ersetzen sollte, hat das Handtuch geschmissen und gekündigt.

Nein, will ich nicht. Andererseits habe ich die Rumhockerei satt, ich will erstens wieder arbeiten, zweitens geht uns langsam aber sicher die Kohle aus. A propos Kohle, ich habe mal meine Fühler in Richtung Deutschland ausgestreckt, dort könnte ich relativ leicht wieder als Freiberufler anfangen. Für wesentlich mehr Geld, als ich hier verdienen werde, gesetz den Fall, die Herren von der Migra lassen sich irgendwann mal dazu herab, mir eine Arbeitsgenehmigung zu gewähren.

Ich würde so gerne irgendjemandem sagen, wie sehr mich das ankotzt. Evelyn ist Mexikanerin, sie war in Deutschland nicht wirklich sehr glücklich, was ein wichtiger Grund war, unser Glück hier zu versuchen. Und unsere Tochter ist übrigens auch Mexikanerin und beide sind finanziell von mir abhängig. Ich kann also hier arbeiten und wir alle können ein recht glückliches Leben als Familie führen, wozu ich halt blöderweise dieses Scheiss-Papier brauche. Oder aber ich bekomme das Drecksteil nicht (oder erst so spät, dass mir die Kohle ausgeht), dann gehe ich nach Deutschland, wodurch praktisch Migración Evelyn vor die Wahl stellt, in ihrer Heimat oder bei ihrer Familie zu leben. Tolle Situation.

Aber es interessiert halt keinen. Der Spack auf der Migra sagt, er hat so viel zu tun, ich bin Nummer Achthundertsoundsoviel auf seiner Warteliste, er kann nix dafür. Sein Scheff wiederholt den Satz und fügt hinzu, dass er nicht mehr Leute einstellen kann, dafür bekommt er kein Geld. Und natürlich ist meine Situation hart, aber auf Einzelschicksale können sie leider keine Rücksicht nehmen. Und fragt gar nicht erst nach Rechtsmitteln.

Drecksland!

Mittwoch, Oktober 29, 2008

Die Wallfahrt


Auf allgemeinen Wunsch einer einzelnen Person hier endlich der Bericht über unser Wochenende in Michoacan:

Es hat sich mittlerweile herumgesprochen, daß ich über viel Freizeit verfüge und so sprach mich vor Kurzem Evelyns Großmutter an, sie würde jedes Jahr mit ihren Freundinnen ihr Heimatdorf, aus dem sie vor vielen vielen Jahren in den DeEffe gezogen ist, besuchen. Demnächst wäre es wieder so weit und es würde sie sehr freuen, mir und ihrer Urenkelin ihre Heimat zu zeigen, sprich, sie lud mich ein, sie zu begleiten. Die Reise sei bereits organisiert, für Transport und Unterkunft ist gesorgt, ich könnte auch das Zelt mitnehmen, Gelegenheiten zu Essen gäbe es vor Ort.

Ich hatte ja sowieso nichts anderes zu tun als Nadeln in kleine Migra-Spacken-Puppen zu stecken und so sagte ich zu.

Donnerstag abend sollte es also losgehen, wir (Citlali, Schwiegermuttern, ihre Mutter, deren Schwestern und meine Wenigkeit) bestiegen zusammen mit anderen Leuten, mehrheitlich im Alter meiner Schwiegergroßmutter, den Bus. Schwiegermuttern und mir traf es die Plätze 39 und 40, die letzten beiden ganz hinten neben der Toilette. Wir ließen uns gerade häuslich nieder, als eine Gruppe von sechs renitenten Rentnern auf uns zukam und lautstark darauf aufmerksam machte, daß sie Karten für die letzten sechs Plätze hätten: 41, 42, 43, 44, 45, 46. Ja, die Rudelführerin sagte wirklich alle sechs Nummern auf, um ja keine Zweifel zu lassen. Ich wies darauf hin, daß wir Karten für die Plätze 39 und 40 haben und daß das zufälligerweise genau die Nummern sind, die auf den kleinen Täfelchen über unseren Köpfen stehen. Woraufhin sie mich tatsächlich fragten, wo denn dann ihre Plätze wären. Woher soll ich das den wissen? "Vielleicht im zweiten Stock?" fragte ich, worauf sich eine von den Pappnasen tatsächlich nach der Treppe umsah, während die anderen mich mit einem Blick bedachten, als ob ich ihnen Unzucht mit Paarhufern empfohlen hätte.

Irgendwann hatten dann alle ihre Plätze und es ging los. Unsere Sitze waren so ziemlich das Letzte, dadurch daß wir weit hinter der Hinterachse saßen, wurden wir beim Überheizen der Topes heftig aus unseren Sitzen hochgeschleudert, von unten heizte der Motor, von oben gefror und die Klimaanlage, das ganze natürlich bei entsprechender Geräuschkulisse. Wenigstens entging mir so die Beterei der übrigen Wallfahrer. A propos Wallfahrer, bis zu diesem Moment war mir entgangen, daß die ganze Veranstaltung kein Familienausflug war, sondern eine organisierte Wallfahrt zu Ehren des Dorfheiligen. Die findet seit über 50 Jahren jährlich statt und irgendeiner von Evelyns Ahnen war mitbegründer dieser Tradition.

So bekamen wir am nächsten Morgen in Zamora, wo sich ein gutes Dutzend Busse aus DeEffe einfand dann auch erstmal eine Messe verpaßt, bevor es nach Ixtla de los Hervores weiterging. Dort angekommen zogen wir dann als Prozession durch das glücklicherweise kleine Dorf zur Kirche, rechts und links des Weges jubelten uns die Bewohner des Dorfes zu und bewarfen uns mit Konfetti. Nach der Messe bezogen wir dann unser Quartier in der Dorfschule. Mann, war ich froh, daß ich das Zelt mithatte. In sechs Klassenzimmern wurden jeweils etwa 30 Leute untergebracht. Und für alle gab es insgesamt 8 Toiletten ohne funktionierende Spülung und genau einen funktionierenden Wasserhahn. Wenigstens war das Wasser aus diesem Warm, weil das Dorf in der Nähe eines Geysirs liegt. Trotzdem wurde der Hahn von Tag zu Tag schmuddeliger, die Eimerchen, die als Spülungsersatz an den Toiletten standen, erweckten auch nicht gerade einen keimfreien Eindruck, obwohl sie von vielen offensichtlich einfach ignoriert wurden. Das war einfach nur eklig.

Dazu ein paar Rentner von dem Typ, der nicht kommuniziert, sondern nur Befehle bellt und sich am liebsten lautstark mit seinesgleichen darüber unterhält, daß früher alles viel besser war.

Den Abend (wie auch alle Anderen) verbrachten wir im Dorf, wo so etwas wie ein Jahrmarkt mit Taco-Ständen und Karusells aufgebaut war.

Die nächsten beiden Tage verbrachten wir glücklicherweise in Schwimmbädern, wo wir zumindest duschen konnten und auch das religiöse Rahmenprogramm beschränkte sich auf Gesänge während der Busfahrten.

Die Rückfahrt am Montag war dann nochmals stressig, um fünf Uhr morgens wurden wir geweckt, nach der Abschiedsmesse und einem kurzen Frühstück ging es los auf die Autobahn. Die Zeit wurde recht lang, ich war nach der kurzen Nacht müde und Citlali war auch quengelig und so waren wir beide froh, als wir gegen 9 Uhr abends endlich wieder im DeEffe waren.

Das Wochenende war sehr interessant, wir haben viel erlebt, aber ich glaube, nächstes Jahr werden wir auf den Spaß verzichten.

Mittwoch, Oktober 22, 2008

Frust

Gestern abend kamen wir mit jemandem ins Gespräch, der sich als Judicial (das ist, wenn ich das richtig verstanden habe, eine Art Polizist, der für die Staatsanwaltschaft arbeitet) vorstellte. Außerdem sei er Anwalt, als solcher bot er uns seine Dienste an. Evelyn kam auf die Idee, ihm meinen Fall mit der Migra vorzutragen. Sein Vorschlag war genial:

Seiner Meinung nach darf so ein Vorgang maximal 30 Kalendertage dauern (da hatte er sogar recht). Und deshalb könne es ja gar nicht sein, daß meine Papiere seit nunmehr 8 Wochen auf der Migra liegen, er vermute vielmehr, daß das ein Ablenkungsmanöver meines Arbeitgebers sei, der mich gar nicht einstellen will. Private Firmen würden nämlich nur Leute einstellen, die Beziehungen zu den richtigen Stellen haben. Ich solle doch einfach selbst zur Migra gehen und den Antrag stellen, ohne daß mein Arbeitgeber etwas davon wüßte, dann könnte ich mit dem gültigen Visum dort vorsprechen und dann müßte mein Arbeitgeber Farbe bekennen.

Das ist so einfach, weshalb bin ich da noch nicht selber drauf gekommen? Das fällt dem Arbeitgeber wahrscheinlich auch gar nicht auf, wenn ich ihn nur geschickt um einen an die Migra gerichteten Brief bitte, in dem er zusagt, mich einzustellen, sobald ich die Erlaubnis dazu habe. Und seine letzte Steuererklärung rückt er dann sicherlich auch problemlos raus, genau wie den anderen Mist, den ich von ihm brauche.

Aber selber Schuld, wer dumm fragt kriegt 'ne dumme Antwort.

In der Realität sieht die Geschichte etwas anders aus, heute hatte ich den Anwalt, den mein Arbeitgeber beauftragt hat, an der Strippe. Und auch von ihm gab's nur salbungsvolle Worte, er ist zuversichtlich, die Arbeitserlaubnis diese Woche endlich zu bekommen. Zwar versicherte er mir, daß mein Antrag laut Gesetz tatsächlich innerhalb von 30 Kalendertagen bearbeitet werden müsse, aber erstens hätten die da im Moment das totale Chaos, ausserdem ist dieses Recht ziemlich sinnfrei, ich könnte jetzt zwar die Migra verklagen und wenn ich recht bekomme, müssen die tatsächlich sofort meinen Antrag bearbeiten, aber bis die Klage durch ist, bin ich warscheinlich in Rente und sonstige Auswirkungen (z.B. die Erstattung meines Verdienstausfalles) hätte das nicht.

Toll! Ich habe ein Anrecht auf einen Behördenvorgang, der maximal 30 Tage dauert, aber keine Möglichkeit, dieses Recht auch einzuklagen oder durchzusetzen. So langsam frage ich mich echt, was ich eigentlich so toll an diesem Land fand.

Samstag, Oktober 11, 2008

Endlich wieder schlafen!

Da hätte ich doch fast vergessen, etwas zu vermelden. Aber dieser Eintrag beim Cabronsito hat mich gerade wieder daran erinnert. Das muss ich kurz erklären:

Maximilian ist, wenn ich das richtig in Erinnerung habe, etwa 2 Monate jünger als Citlali. Und irgendwo (find' ich gerade nicht) hatte der Cabronsito mal vermeldet, dass der Max nach 4 Wochen durchschlafe. Das fand ich damals sehr bemerkenswert, weil Citlali zu der Zeit (bereits drei Monate alt) noch nichtmal einen gescheiten Rhythmus draufhatte, sondern uns zwei bis fünfmal nachts rausholte. Irgendwann hat sich das dann mal stabilisiert, sie pendelte sich auf zwei Mahlzeiten (zwischen eins und zwei und zwischen vier und fünf) ein, aber alle Tips und Tricks, ihr diese beiden Nachtmahlzeiten abzugewöhnen, scheiterten kläglich.

Und jetzt kommt's: Seit etwa drei Wochen schläft Citlali (mittlerweile zwei Jahre alt!) endlich durch. Ist das toll!

PS: Dicke Grüsse nach Aguascalientes, wir drücken die Daumen, dass auch Max bald wieder in seinen gewohnten Rhythmus zurückfindet.

Überlastet

Gestern habe ich mal wieder mit meinem zukünftigen Arbeitgeber telefoniert. Ich bin nicht deren einziger Problemfall, sie warten auf eine ganze Menge Papiere von der Migra. Der Rückstau ist mittlerweile so gross, dass sogar der Leiter der Personalabteilung persönlich dort vorstellig wurde, allerdings auch nichts anderes erreichte, als dass man ihm erklärte, man hätte eben im Moment sehr viel zu tun.

Tolle Leistung, ein grosses Unternehmen, welches sicherlich einen nicht unerheblichen Beitrag zur mexikanischen Wirtschaft leistet, wird von einer schlecht organisierten Behörde behindert.

Meine Begeisterung, hier weiterhin meinen Beitrag zu leisten, haben diese Spacken jedenfalls gründlich gedämpft. Leider ist der Job eine grosse Chance, auf die ich schon ein Weilchen hingearbeitet habe. Sonst würde ich es vielleicht doch nochmal in Frankreich versuchen. Mist verdammter!

Donnerstag, Oktober 02, 2008

Logbuch des Käptens

Sternzeit Drei Halb Vier Punkt Fünf: An Bord macht sich Langeweile breit. Gestern habe ich meinen Werkzeugkoffer ausgeräumt, ihn ordentlich ausgespült, die Schraubenzieher gesäubert und nach Grösse und Farbe sortiert wieder eingeräumt.

Heute habe ich in meiner Verzweiflung das Angebot angenommen, jemanden in ein kleines Dorf (dessen Name ich vergessen habe) in Michuacan zu begleiten. Ich bin gespannt. Theoretisch kommen wir am Montag wieder in den DeEffe zurück.