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Eigentlich wollte ich nur eine kurze Antwort zu Tobis Kommentar schreiben, aber wenn ich's mir genau überlege, verdient das Thema einen eigenen Artikel.
Klar, der Ärger mit den dämlichen Behörden und die fehlende Flexibilität der Personalabteilung gehen mir tierisch auf den Keks. Außerdem ist es schon sehr frustrierend, wenn man sieht, wie der Kontostand langsam aber stetig sinkt, ohne daß man tatsächlich eine Art von Gegenleistung dafür erhält. Klar hatte ich damit gerechnet, hier 3-6 Monate einen Job zu suchen, für den Fall hatten wir die Kohle ja gespart. Aber als ich nach 4 Wochen den Job in der Tasche hatte, fingen wir schon mal an, in Gedanken eine Wohnung einzurichten. Und drei Monate später ist die Kohle halt auch futsch, ohne irgendein Stück Möbel gekauft zu haben. Und das süße Nichtstun hängt einem irgendwann auch zum Halse heraus, zumindest, wenn man in dieser Riesen-Stadt festhängt. Wenn es hier um die Ecke ein Meer oder wenigstens einen See hätte, wäre das vielleicht anders.
Bleibt also die Frage, warum tut der sich das an? Nun ja, erstens ist in Deutschland auch nicht alles so toll, wie es sein könnte. Klar, nachdem wir verheiratet waren, hat Evelyn am nächsten Tag sofort Visum und Arbeitserlaubnis bekommen. Aber erstens wollten wir (noch) nicht heiraten, sondern einfach nur zusammen leben, wie das deutsch-deutsche Paare halt auch dürfen. Und der Papierkram für die Heirat war auch nicht ohne, das Ganze ging zwar sehr zügig und stets korrekt über die Bühne, aber bis wir alle Papiere beglaubigt und übersetzt hatten, waren wir eine Stange Geld los. Zum Beispiel war der Name meiner Schwiegermutter auf zwei Dokumenten unterschiedlich angegeben. War nicht wirklich ein Problem, Evelyn hat im Beisein des Beamten eine Eidesstattliche Versicherung abgegeben, daß es sich beide Male um Ihre Mutter handelt und fertig. Aber auf dieser Eidesstattlichen Versicherung hat der Beamte als Zeuge Unterschrieben und seinen Stempel draufgeklatscht, diese Amtshandlung hat uns irgendwas um die 60 Mark an Gebühren gekostet. Dafür konnte ich zu der Zeit einen Monat lang in der Mensa essen.
Außerdem hatte ich auch in Deutschland schon mal das "Vergnügen", arbeitslos zu sein, nachdem meinen Arbeitgeber der plötzliche dotCom-Tod ereilte. Die Besuche auf dem Arbeitsamt waren auch nicht wirklich sehr erbaulich. Zwar lief auch hier immer alles korrekt ab, ich kann keinem einen echten Vorwurf machen, wie da hier der Fall ist, aber irgendwie konnte ich meinem persönlichen Berater (oder wie der sich auch immer nannte) den Unterschied zwischen einem Softwareentwickler und einem Systemadministrator nicht wirklich erklären. Es hat schließlich beides mit Computern zu tun.
Und wenn ich die bedenke, wieviele Bewerbungen ich in Deutschland geschrieben habe, bevor ich mich schließlich Selbständig gemacht habe, weil alle nur befristete Projekte anboten, aber niemanden fest anstellen wollten, da war es hier lächerlich einfach, einen Job zu finden. Von der Steuererklärung mal ganz abgesehen. Hier hat man mir beim Vorstellungsgespräch gleich gesagt, wieviel ich netto verdiene. Nix mit unterschiedlichen Steuerklassen, Pendlerpauschale oder sonstigen Verrenkungen. Das läuft hier einfach nach dem Schema "Brutto minus x Prozent" und ferig.
Und es gibt hier noch eine paar Kleinigkeiten, die mir persönlich einfach gefallen:
Das Wetter! Im Moment haben wir irgendwas um die 20 Grad, nachts sinkt das Ganze auf ca 10 Grad und die reden hier alle von einem vorzeitigen Kälteeinbruch. Ich find's angenehm!
Die Einkaufsmöglichkeiten: Es gibt hier an fast jeder Ecke noch den Tante-Emma-Laden (Unsere Tante Emma heißt übrigens Clara) und es gibt kein(!) Ladenschlußgesetz. Das bedeutet, Clara hat bis 10 offen, einige Supermärkte sogar 24 Stunden, 7 Tage die Woche. Hier kann man auch Sonntags einkaufen gehen, ohne den Tankstellen-Zuschlag zu bezahlen.
Das Land an sich ist großartig: In 5 Stunden bin ich in Acapulco, es gibt hier Wüsten, schneebedeckte Vulkane und vieles mehr.
Und nicht zuletzt ist Evelyn hier viel glücklicher als in Deutschland und streckt mir nachts nicht ihre eiskalten Füße ins Kreuz ;-)
Soviel also zum Warum. Ich hoffe, das kriegt jetzt keiner in den falschen Hals, ich wollte auf gar keinen Fall die beiden Länder, deren Bevölkerung, Sozialsysteme, Gesetze oder sonstwas miteinander vergleichen, sondern nur Tobi antworten, warum ich mir das alles antue.
Außerdem habe ich so etwas, das ich später mal meinen Enkeln an den langen, kalten und dunklen Winterabenden erzählen kann. Mist, hier hat es gar keine langen, kalten...
Donnerstag, November 11, 2004
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