Es fällt mir verdammt schwer, etwas über das am Donnerstag verabschiedete Gesetz zur Zugangserschwerung zu Kinderpornografie im Internet zu schreiben. Dass ich es trotzdem versuche, liegt daran, dass ich dieses Gesetz für einen grossen Schritt in die falsche Richtung halte. Und wer glaubt, dass der Versuch hier fehl am Platz ist, weil dieses Gesetz nichts mit unserer Auswanderung oder unserem Leben in Mexico zu tun hat, irrt sich.
Ein gewichtiger Grund für meinen Wunsch, Deutschland zu verlassen, war das Gefühl, keinen Einfluss auf die Politik zu haben, die in Deutschland aber nunmal einen Grossteil des Lebens bestimmt. Zugegeben, auch hier in Mexico habe ich keinen Einfluss, es ist mir als Ausländer sogar untersagt, mich in die Politik einzumischen, allerdings hat die Politik weniger Einfluss auf mein Leben, als das in Deutschland der Fall war.
Zurück zum Thema: Politik als Hauptbeschäftigung kommt für mich nicht in Frage, das ist nicht wirklich mein Ding und ich habe auch kein Problem damit, jemanden zu bezahlen, der das für mich tut, genauso wie ich auch lieber einen Friseur bezahle, der mir die Haare schneidet, statt das selbst zu tun. Das Ergebnis ist zumindest im letzten Fall eindeutig besser, was wahrscheinlich auch daran liegt, dass mein Friseur mich fragt, was ich denn in etwa von ihm erwarte, bevor er sich ans Werk macht.
Das ganze ist bei der Bundesregierung etwas schwieriger. Zum einen hält der Effekt der Kundenbefragung wesentlich länger an, im Normalfall 4 Jahre statt 4 Wochen und beim Friseur bin ich es gewohnt, dass er sich halbwegs an meine Vorgaben hält.
Die Bundesregierung hat also beschlossen, ein Gesetz auf den Weg zu bringen, welches den Zugang zu Kinderpornografie im Internet erschweren soll. Es wurde von vielen Seiten angeführt, dass es besser sei, die Kinderpornos aus dem Internet zu nehmen, statt nur den Zugang zu erschweren, es wurde nachgewiesen, dass die Entfernung mit wenig Aufwand machbar ist, es wurde darauf hingewiesen, dass die im Gesetz vorgesehenen technischen Sperren mit einfachsten Mitteln zu umgehen sind und dass dieses Gesetz für eine Zensur des Internets missbraucht werden kann.
Es hat die Politiker nicht beeinflusst. Ganz im Gegenteil, eine Petition, die von über 100000 (in Worten Hunderttausend) Menschen unterzeichnet wurde, verpuffte wirkungslos, die Aussage des Wirtschaftsministers "dass es Menschen gibt, die sich gegen die Sperrung von kinderpornographischen Inhalten sträuben" lässt für mich nur den Schluss zu, dass er die Petition noch nichtmal gelesen hat. Interesse am Wählerwillen sieht anders aus.
Und somit wären wir wieder beim Thema dieses Eintrages angelangt: Es ist in Deutschland nicht möglich, Einfluss auf die Politik zu nehmen, wenn man nicht selbst Berufspolitiker ist. Warum dieses Gesetz gegen jeden Widerstand verabschiedet wurde, kann ich nicht beantwortet. Bestenfalls wollte Zensursula einfach nur im Wahlkampf punkten und sie hielt die technische Durchführung für nicht so wichtig, schlimmstenfalls wollen die Politiker tatsächlich das Internet zensieren, ich halte beide Interpretationen für möglich. Aber der Fall macht eines klar: Die Politiker sehen das Volk nicht als Auftraggeber, in dessen Dienst sie stehen, sondern als lästiges Übel, mit dem sie sich vor den Wahlen halt notgedrungen beschäftigen müssen, oder gar als Bedrohung, die es zu kontrollieren gilt. Ein Friseur mit diesem Verständnis von Kundenfreundlichkeit hätte es wahrschenlich schwer.
Schade eigentlich. Bleibt nur zu hoffen, dass nicht wirklich irgendwer die Sperren für seine Zwecke missbraucht, sonst werden wir uns eines Tages vielleicht von unseren Kindern fragen lassen müssen, weshalb wir das denn nicht erkannt und etwas dagegen getan haben. Ob ich mich dann auf diesen Eintrag berufen kann?
"Ob ich mich dann auf diesen Eintrag berufen kann?"
AntwortenLöschenWenn bis dahin dein Blog nicht der Zensur zum Opfer gefallen ist :-)
Gut geschrieben samt schönem Vergleich, wenngleich meine spärliche Haarpracht jeglichen Frisörbesuch ad Absurdum führen würde...
Hier findet man übrigens meine geistigen Ergüsse zum Thema Zensursula, Kinderpornographie & Zugangserschwerungsgesetz: www.guedesweiler.blogspot.com