[Dieser Artikel wurde ursprünglich auf blogall veröffentlicht und anschließend mit den Kommentaren hierher umgezogen.]
In letzter Zeit hatte ich das Gefühl, daß meine Krone (die auf dem Backenzahn) wackelt. Also bin ich am Donnerstag nach reiflicher Überlegung, oder besser, als die Angst vor dem Ausfall der Krone größer war als die Angst vor dem Zahnarzt, zu selbigem, bzw. zur selbigen.
Über der Klingel hing ein Zettel, man möge bitte an die Tür klopfen. Das hab' ich getan und als mir eine Dame öffnete, die blaue Handschuhe trug, war ich erstmal verwirrt. War das die Reinemachefrau, oder benutzte die Zahnärztin blaue Gummihandschuhe, die ich eigentlich so nur als Putzhandschuhe kannte? Sie sagte ich solle mich erstmal ins Wartezimmer setzen. Nach ca 20 Minuten wurde ich dann ins Behandlungszimmer gebeten. Das sah' aus wie das Behandlungszimmer eines Zahnarztes, aber auch nicht. Da war ein Behandlungsstuhl, die übliche Sammlung Bohrer und sonstige gemeine Sachen, die fiese Lampe und ein kleines Labor an der Wand. Das war's dann auch schon, das war, zusammen mit dem Wartezimmer die ganze Praxis, kein großartiger Empfang, kein zweites Behandungszimmer, keine hübsche zahnarzthelferinnen. Und die Geräte wirkten leicht antiquiert, nicht so sehr High-Tec und Chrom und Geblinke sondern schlicht und ziemlich gebraucht. Der Stuhl war noch einer von der Sorte, die man von Hand verstellen muß. Und ihre Handschuhe waren tatsächlich blau, aber es waren die dünne Latex-Handschuhe, nicht die dicken, die ich gemeint hatte zu sehen.
Das mit der Krone war schnell geklärt, sie hat das Ding abgezogen, mal sehen, wahrscheinlich nur der Kleber alle, die kleben wir einfach wieder fest, schlimmstenfalls brauchen wir eine Neue. Leider war es schlimmer, als befürchtet, der Zahn war unter der Krone weggegammelt, sie meinte, entweder hat der Kollege in Deutschland 'nen schlechten Tag gehabt, oder er hat versucht, einen Zahn zu retten, der nicht mehr zu retten war. Sie könne mir natürlich eine neue Krone machen lassen, aber die würde sicher keine 2 Jahre halten, besser wäre es, den Zahn zu ziehen und eine Brücke einzusetzen. Also gut, sie soll ihn ziehen. Dann kannst Du morgen aber nicht arbeiten. Mist, das geht nicht. Wie wär's mit morgen, dann kann ich Samstag ausruhen. Gut.
Danach hatte ich noch ein nettes Gespräch mit ihr, sie arbeitet als "freie" Zahnärztin. Das Gesundheitswesen hier ist etwas anders organisiert, als in Deutschland, es gibt auch ein staatliches Gesundheitswesen und jeder, der Angestellter ist, muß in das System einbezahlen. Dafür kann man dann die staatlichen Krankenhäuser in Anspruch nehmen, in denen auch Zahnärzte arbeiten. Allerdings hat dieses System einen, naja, nicht gerade tollen Ruf, die Ärzte seien unterbezahlt, überarbeitet und nur daran interessiert, da so schnell wie möglich rauszukommen und eine private Praxis aufzumachen.
Deshalb hat jeder, der es sich leisten kann, eine Zusatz-Krankenversicherung, die dann den Privat-Arzt bezahlt. Die Vertragsklauseln sind zum Teil recht seltsam, aber das ist ein anderes Thema. Meist schließt diese Zusatzversicherung allerdings (wie bei mir auch) den zahnarzt aus.
Und ein freier Zahnarzt kann seine Preise selbst festlegen, ist er zu billig, kommt er nicht über die Runden, ist er zu teuer, gehen die Patienten eben woanders hin. Meine Zahnärztin erzählte mir eben, daß sie vor kurzem auf einer Fortbildungsveranstaltung war, die unter anderem von deutschen Firmen gesponsert wurde. Und die haben natürlich versucht, ihre tollen Geräte zu verkaufen, aber sie meinte, wenn sie ihr Behandlungszimmer so einrichtet, wie die Firmen sich das vorstellen, muß sie ihr leben lang arbeiten, nur um die Einrichtung zu bezahlen, da bleibt nichts zum Leben über. Oder sie muß die Preise verdoppeln, was ihr dann keiner bezahlt. Drum hat sie eben immer noch diesen manuell verstellbaren Behandlungsstuhl.
Am Freitag abend hat sie mir dann tatsächlich den Backenzahn gezogen, ich fühle immer noch eine große Leere in mir. Und so richtig schmerzfrei fühle ich mich auch noch nicht.
Die ganze Prozedur (Krone abnehmen, Beratung, Zahn ziehen) hat mich übrigens 350 Peso gekostet, das sind etwa 25 Euro. Nicht wirklich viel für zweimal knapp eine halbe Stunde Zahnarzt.
1| mann, du hast
Von: dievolksfrontvonjudä · 06.06.2005 um 21:39:44 Uhr
echt Glück gehabt. Ich kenne jemanden, dem wurde ein Weisheitszahn ohne Vollnarkose gezogen. Der ist jetzt für sein Leben lang traumatisiert...
2|
Von: dievolksfrontvonjudä · 06.06.2005 um 21:40:59 Uhr
und das war in Mexiko.
3| Versteh' ich nicht
Von: Andreas Bohn · 07.06.2005 um 13:54:13 Uhr
Ich hab' mir meine Weißheitszähne auch nur bei örtlicher Betäubung ziehen lassen. Ne Vollnarkose wäre mir da erstens zu viel Aufwand, zweitens hat mir das mein (damals deutscher) Zahnarzt auch gar nicht angeboten.
Seltsam...
4| Zahnarzt
Von: Holger Münz · 10.06.2005 um 19:46:03 Uhr
Muss auch nochmal ein Lob auf die mexikanische Dentalgilde loswerden. Einwandfreie Qualitätsarbeit :
7 Zähne ( Eine 3er Brücke + eine 4er Brücke ). Sollten in unserem "Sozialstaat" schlappe 3500,00 Euro kosten. Bezahlt habe ich dort 420 Euro.
Gute + Schlechte Zahnärzte gibts wahrscheinlich hüben wie drüben.
5| Wow!
Von: Andreas Bohn · 10.06.2005 um 22:06:53 Uhr
Ich wußte gar nicht, daß man auch so große Brücken baut. Und mir war neu, daß Du nur noch so wenig echte Zähne hast. Liegt wahrscheinlich am Alter ;-)